Artikelbild Eine Frage der Haltung

von Julian M. Hadschieff

Selten zuvor hat der Komplexitätsgrad unserer Arbeitswelt so zugenommen wie in den letzten rund zwei Jahrzehnten.

Steigende Digitalisierung, global vernetzte Lieferketten, demografische Umbrüche und daraus resultierender Fachkräftemangel – das sind nur einige der Themen, mit denen in der einen oder anderen Ausprägung Führungskräfte so ziemlich jeder Branche konfrontiert sind. Auch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bilden da keine Ausnahme.

Es ist besonders dieser wahrgenommene Anstieg an rasanten und disruptiven Veränderungen, wobei die Pandemie teilweise noch für zusätzliche Dynamik gesorgt hat. Klassische Arbeitsweisen werden in Frage gestellt, das kann durchaus auch Ängste und Unsicherheiten erzeugen. Die neuere Managementliteratur hat dafür auch schon einen eigenen Namen gefunden: die VUCA-Welt. VUCA ist ein Akronym der englischen Begriffe Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity, in der deutschen Übersetzung Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität, also unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten von Information.


Führen in der VUCA-Welt
Wo müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen und speziell ihre Führungskräfte hinentwickeln, damit wir auch in Zukunft gemeinsam erfolgreich sind?  Welche Kompetenzen braucht es? Was braucht eine Führungskraft heute, um unter diesen speziellen Aspekten der VUCA-Welt selbst gut zu bestehen, ihr Team sicher durch diese Herausforderungen zu steuern und dort, wo Bedarf ist, gute neue Leute fürs Team zu gewinnen?

Meiner Erfahrung aus mehr als drei Jahrzenten Unternehmertum nach braucht es dazu agiles Handeln auf beiden Seiten. Dazu gehört auf Unternehmensseite die Erkenntnis, dass sich Organisationen agil weiterentwickeln müssen, um weiter Bestand zu haben, zu wachsen und am Markt erfolgreich zu sein. Untrennbar verknüpft mit der Organisationsentwicklung ist auch die Entwicklung der Führungskultur, um Führungskräften ein gutes Instrumentarium mit auf den Weg zu geben und sie in ihrer vielfältigen und so wichtigen Aufgabe zu unterstützen.


Die eigene Wirkung aktiv gestalten
Führungskräfte müssen heute permanent zukunftsweisende Entscheidungen treffen, oft im Minutentakt. Dafür braucht es wesentlich mehr als ‚nur‘ Persönlichkeit. Es ist eine Frage des Selbstmanagements, der Rollengestaltung und ¬– ganz entscheidend – der Haltung. Es braucht Menschen, die in diesem neuen Setting mit einem dynamischen Mindset agil und selbstbewusst agieren. Diese Führungskräfte gilt es in ihrer Kompetenzentwicklung und bei der Gestaltung zeitgemäßer Führungsarbeit bestmöglich zu unterstützen, denn Führungsstil wirkt sich auf die (emotionale) Mitarbeiterbindung aus.
Die Führungskraft hat eine exponierte Stellung, ihr Handeln steht immer im Scheinwerferlicht. Mit ihrem Verhalten bestätigen Führungskräfte im Idealfall Werte und Leitbilder der Organisation. Sich dem zu entziehen ist praktisch unmöglich, allerdings lässt sich die eigene Wirkung aktiv gestalten.


Vom Management zum Leadership
Es geht also um Haltungen und Verhaltensweisen und darum, Werte und Leitbilder zum Leben zu erwecken. Und darum, die persönlichen Stärken als Führungskraft zu entdecken, mehr Klarheit über die eigene Wirkung und über Auswirkungen des eigenen Verhaltens zu bekommen. Die besondere Herausforderung ist, Stabilität und Vertrauen zu leben und gleichzeitig Offenheit für Neues zu bewahren. Es ist ein Weg vom Management zum Leadership. Die Entwicklung beinhaltet auch, Neues auszuprobieren oder in der Führung mehr zu gestalten. Das ermöglicht zum Beispiel einen Perspektivenwechsel in konkreten schwierigen Kommunikationssituationen mit Mitarbeitenden.


Die Schlüsselrolle der Führungskräfte im Employer Branding
Die Attraktivität eines Arbeitgebers ist eng mit der Haltung seiner Führungskräfte verknüpft. Eine Kausalität, die sich umso stärker auswirkt, je weniger (qualifizierte) Bewerber:innen am Arbeitsmarkt verfügbar sind. Über lange Zeit herrschte ein Arbeitgebermarkt: Stellenanzeige schalten, Bewerbungen sichten, zusagen und die Fachkraft blieb zumindest fünf bis zehn Jahre im Unternehmen. Heute hat sich der Markt komplett umgekehrt, der Wettbewerb um geeignete Kandidat:innen hat sich enorm verschärft: einfach ‚nur‘ einen sicheren Job mit ordentlichem Gehalt anzubieten reicht schon lange nicht mehr. Auch stellen Jobsuchende heute viel mehr Fragen. Sie wollen wissen: Was erwartet mich konkret, was macht den Job dort besonders? Sie suchen interessante, sinnstiftende Aufgaben, zeitliche Flexibilität und attraktive Benefits. Ein immer stärkerer Fokus liegt daher auf dem Thema Recruiting. Führungskräfte sind dabei nicht nur Repräsentant:innen für ihren Bereich und ihr Team. Sie vermitteln den Interessent:innen im Recruiting-Prozess auch den ersten und entscheidenden Eindruck vom Unternehmen, nach dem Motto: „Gute Leute ziehen gute Leute an“. Als Führungskraft müssen Sie also spätestens beim Interview wissen, wofür Ihre Organisation als Arbeitgeberin insgesamt und Ihr Team im Speziellen stehen, was Sie auszeichnet und wieso jemand gerade bei Ihnen und nicht anderswo arbeiten sollte. Die Kultur eines Unternehmens ist in den letzten Jahren für viele Arbeitssuchende zu einem ‚make-or-break‘-Faktor geworden. Insbesondere Millenials und Angehörige der Generation Z nehmen nicht nur die Stelle selbst, sondern das gesamte Arbeitsumfeld genauer unter die Lupe.

Führungskräfte sind also auch ‚Unternehmensbotschafter:innen‘. Es braucht Transparenz der Organisation in Bezug auf Leistungen des Hauses und die Arbeit dort. Weisen Sie im Recruiting-Prozess ausdrücklich auf die Besonderheiten und die relevanten Stärken in Ihrem Bereich hin: Diversität als Erfolgsfaktor im eigenen Team, familiäre Atmosphäre, Flexibilität, Vielfalt der Tätigkeiten, interdisziplinäres Arbeiten, Freiheiten in der Dienstplangestaltung, Kontakt mit Menschen, sinnstiftende Tätigkeiten – jede Organisation und jedes Team hat Besonderheiten.

Die Erleichterung ist groß, wenn dann ein/e neue/r Mitarbeiter:in gefunden ist, unterschrieben hat und im Unternehmen startet. Jetzt ist die Führungskraft erst recht gefordert, das neue Teammitglied zu begleiten! Neueinsteiger, insbesondere wenn sie noch am Beginn ihrer Berufslaufbahn stehen, sind oft maßlos überfordert, wenn sie am Anfang noch nicht über das interne Netzwerk verfügen: Sie wissen wenig über ihre Kompetenzen oder wen sie in Notfällen rasch um Hilfe bitten sollen. Hier sind Führungskräfte auch mit dem Generationenmanagement in ihrem Team gefordert, denn aktuell treffen im Arbeitsleben mehrere Generationen aufeinander, die sich stark in ihren Motiven und Werten, auch in ihren Bedürfnissen nach Detaillierung von Zielvorgaben und Häufigkeit des Feedbacks unterscheiden. Führungskräfte müssen daher nicht selten auf vier Generationen eingehen und ihre Führungskommunikation entsprechend anpassen.


Vernetzung als zentraler Erfolgsfaktor von Care 4.0
Zu guter Letzt haben Führungskräfte aber nicht nur eine Rolle nach innen, sondern können auch eine ganz entscheidende Rolle in der Positionierung und Weiterentwicklung der Organisation in all ihren Facetten spielen. Ich bin persönlich überzeugt davon, dass Care 4.0 nur durch die Vernetzung der Akteure im System erfolgreich umzusetzen sein wird. Dazu gehört, dass sich Organisationen stärker öffnen, in Kooperationen denken, dies auch ihren Mitarbeiter:innen ermöglichen und sie unterstützen. Denn durch phantasievolle Kooperationen und Netzwerke können attraktive neue Angebote zustande kommen. Informieren Sie Ihre Heimbewohner:innen und deren Angehörigen genauso wie Ihre Lieferanten regelmäßig über Ihre Organisation und gehen Sie in die Wirtschaftsbetriebe und Ausbildungseinrichtungen in Ihrer Umgebung. Das fördert das Miteinander, die Identifikation aller Beteiligten und führt manchmal zu richtig coolen neuen Ideen!

Foto: PremiQaMed Group,
Fotograf: Robert Newald

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Name
Mag. Julian M. Hadschieff

IST
Vorsitzender der Geschäftsführung der PremiQaMed Group und geschäftsführender Gesellschafter der Humanocare Group

Expertise
Unternehmer und Manager im Gesundheitsbereich seit über 35 Jahren

Ich mag
Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten mit Social Impact.

Mit 80
möchte ich immer noch neugierig und offen für Neues sein. Und ich hoffe, mit meinen Erfahrungen ein paar positive Impulse für die Gesellschaft setzen zu können.

Website
www.premiqamed.at und www.humanocare.at

 

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