von Peter J. Mayer

Bereichsübergreifende Kooperation als Herausforderung für die Pflegeheimleitung

Wie steht es um die Kooperation der Leistungserbringer?

- Im Rahmen der Konferenz des Bundesverbandes Lebenswelt Heim am 20. Oktober des Vorjahres wurde das E.A.N.-Ausbildungsprogramm als Ergebnis eines durch das Erasmus+ Programm kofinanzierten EU-Projekts vorgestellt. Dem Autor dieser Zeilen wurde die Ehre zuteil, einen Eröffnungsvortrag zum Thema „Integration der Gesundheitsversorgung – Bereichsübergreifende Kooperation als Herausforderung für die Pflegeheimleitung“ zu halten. Ein Thema, dessen Aufbereitung freilich exakt zur Tagung passte. Zumal das „neue“ E.A.N.-Ausbildungsprogramm für Führungskräfte von Pflegeeinrichtungen geeignet ist, auf viele sich stellende Fragen zeitgemäße Antworten zu bieten.

Der Vortrag begann mit einer Vorstellung der Fachhochschule Burgenland, die sich seit vielen Jahren zu den Partnerorganisationen des früheren E.D.E.- und nunmehrigen E.A.N.-Ausbildungsprogramms zählen darf, mit anschließender Kurzvorstellung des Masterstudiengangs „Gesundheitsmanagement und Integrierte Versorgung“ an der FH Burgenland. Studierende kommen aus allen Berufsfeldern und Einrichtungen des Gesundheitswesens zusammen und bereiten sich auf eine Managementfunktion des Versorgungswesens mit Weitsicht vor. Längst zur Marke geworden, gewährleistet diese Ausbildung einen nahezu garantierten Karriereschritt. Krankenhausleitungen sind bei Absolvent*innen ebenso zu finden wie Personen in Heimleitungen und Geschäftsführungsfunktionen.

Neben der Vermittlung fachlich fundierter theoretischer Grundlagen, war es dem Vortragenden wichtig, persönlich Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Mit Verweis auf einen Blogbeitrag auf der Website seiner Fachhochschule, ließ er einmal mehr mit seinem Credo aufhorchen, wonach es im Management der Versorgungswelt vermehrt ein „Zurück zum Natürlichen, zum grundlegenden menschlichen Empfinden“ brauche.

Integriertes Versorgungsmanagement gibt Antworten auf viele Fragen, die sich in der Gesundheitsversorgung aktuell stellten. Wesentlich bei der Abstimmung der Versorgungsbereiche sind die „3K“ des Gesundheitswesens: „Kooperation“, „Koordination“ und „Kommunikation“. Dazu braucht es gut ausgebildete Manager*innen, die neben Leadership und Managementkompetenz, über ausgeprägte empathische Fähigkeiten verfügen. Die Vorstellung, „wie es mir selbst gehen würde, wenn ich auf Leistungen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen angewiesen wäre, kann dabei helfen“, ist im Blogbeitrag zu lesen. Studierende an der FH Burgenland lernen bereits im Bachelorstudium, insbesondere während Exkursionen in Krankenhäuser und Pflegeheime, sich auf die Patient*innen- bzw. Heimwohner*innenperspektive einzulassen, um dann in der beruflichen Praxis gute Entscheidungen treffen zu können. Würde man seine eigene Großmutter in einem zugigen Bereich im Krankenhaus sitzen und auf sich allein gestellt auf den Aufruf in die Ambulanz warten lassen wollen?“ – Der Autor hat in früheren beruflichen Phasen selbst Krankenhäuser und Pflegeheime geleitet. – „Ja, es braucht aktuelles Wissen! Wissen State-of-the-Art. Aber wir müssen lernen, es richtig zu transferieren. Indem wir die entlang der Versorgungskette Beteiligten zu Betroffenen und die Betroffenen, Patient*innen wie Heimbewohner*innen, vermehrt einbeziehen und zu Beteiligten machen. Sodass der oder die im Rahmen der integrierten Versorgung durch das Gesundheitssystem geleitete sowie verantwortungsvoll begleitete Mensch auch tatsächlich so empfindet, dass er die wichtigste Person in diesem System ist und seinem Versorgungsbedarf nach und seinen Bedürfnissen entsprechend umsorgt und behandelt wird.“ Der Autor schließt seinen Blogbeitrag mit dem Ausdruck höchster Wertschätzung, die sowohl seinen Studierenden als auch den Menschen gilt, die auf das Versorgungswesen angewiesen sind: Die hohe Expertise, die Studierende im Studium erwerben, soll „all jenen zur Verfügung stehen, für die das Gesundheits- und Sozialsystem eigentlich bestimmt ist: Patient*innen und Heimbewohner*innen“. Dazu braucht es eben „Kompetenz zur Integration der Versorgung und Empathie für die dem Gesundheitswesen anvertrauten Menschen!“ – Ein Spagat, zu dem Absolvent*innen des Masterstudiengangs „Gesundheitsmanagement & Integrierte Versorgung“ an der FH Burgenland befähigt sind.

Zurück zum Vortrag. – Aufbauend auf den zentralen Begriffen „Integrierte Versorgung“ und „Best Point of Service“ wurde eine Studie präsentiert, die Kultur des Miteinanders zum Thema machte. Resümierend kann vorab gesagt werden, dass die „Kultur“ im sektoren-, ja institutionenübergreifenden Miteinander ein weithin unterschätztes Phänomen ist. Meist in konfessionellen Häusern sowie auch beispielgebenden nicht konfessionell geführten Häusern ist eine proaktive Herangehensweise an „Kulturarbeit“ (auch: „Wertemanagement“) feststellbar. Ob seiner Bedeutung für das intra- und interorganisatorische Miteinander, und letztlich für das gesamte Versorgungswesen, sollten die „3 Ks“ freilich um ein viertes „K“, ein K für Kultur erweitert werden. In der Studie wurde der Frage nachgegangen, wie Versorgungsintegration auf Basis fundierter Wertekonzepte entwickelt und nachhaltig verankert werden kann. Die Studie stütze sich auf einem umfassenden Literature Review und internationale Vergleiche. In einer empirischen Untersuchung wurde vor allem die Schnittstelle Krankenhaus/Pflegeheim in den Fokus genommen. Mitglieder aus Kollegialen Führungen des österreichischen Versorgungswesens, insbesondere aus Verwaltungs- und Pflegebereichen, wurden mittels standardisierten Fragebögen ebenso befragt wie Pflegeheimleitungen. Gefragt wurde zu Themenbereichen wie Status quo der integrierten Versorgung, Kultur des sektorenübergreifenden Miteinanders, Leistungsfähigkeit und Funktionalität von Leitbildern, Führung im interprofessionellen Kontext, Fragen zur Patient*innen- bzw. Heimbewohner*innenorientierung sowie Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Schnittstellenoptimierung. In einem daran angeschlossenen qualitativen Untersuchungsteil wurden ausgewiesene Expert*innen aus der österreichischen Versorgungswelt anhand von 15 Fragen befragt. Die Expert*innen kamen aus Versorgungsplanung und Versorgungsforschung sowie Systementwicklung, aus dem strategischem Bereich von Akut-Krankenhäusern und Pflegeheimen, aus Führungspositionen des ärztlichen Bereiches, aus dem gehobenen Versorgungsconsulting, aus dem Überleitungsmanagement („Entlassungsmanagement“) sowie aus Verbandorganisationen wie Bundesverband MTD-Berufe, Bundesverband Alten- und Pflegeheime und Bundesverband Selbsthilfe Österreich. Dabei wurden insbesondere Verbesserungspotenziale hinsichtlich interprofessioneller Zusammenarbeit sowohl in den Einrichtungen als auch zwischen den Versorgungseinrichtungen genannt. Um die Kooperation zwischen den Häusern zu stärken, brauche es eine „gute Mischung aus persönlichem Kennenlernen und institutionalisierter Kooperation“. Eingewandt wurde sowohl in der quantitativen als auch in der qualitativen Erhebung, dass ein „regelmäßiger, kontinuierlicher Austausch der Führungskräfte in den Regionen“ von Vorteil wäre. Auch sei eine „gesamthafte Sicht von Finanzierung und Steuerung von Krankenanstalten, Hausärzten und Pflege“ anzustreben. Was die Ausbildung der Gesundheitsberufe anlangt, so sprachen sich nahezu alle Befragten für möglichst frühzeitige Berührungspunkte in den Ausbildungsschienen aus, wie z.B. durch „ein gemeinsames Grundmodul“ in der tertiären Ausbildung. Und letztlich brauche es in der Versorgungspraxis „geeignete gesundheitspolitische und organisatorische Verhältnisse“ („Rahmenbedingungen“), die qualitätsvolle Versorgungsablaufe, auch institutionenübergreifend, ermöglichten. „Bürokratieabbau“ wurde hier ebenso genannt wie die „Entflechtung ineffizienter Strukturen“. Demnach sollte der strukturelle Aufbau auf jenes Maß reduziert werden, das für die Gewährleistung sinngebender und sinnverstehender Versorgungsabläufe „wirklich“ erforderlich ist.

Die Grundlage guter Kooperation stellt zweifelsohne die Qualität der Beziehungsebene dar, die freilich von gegenseitigem Respekt getragen sein muss. Und im Wissen um wen es im Gesundheits- und Sozialwesen eigentlich geht: Um Patient*innen und Heimbewohner*innen. Für das interinstitutionelle, inter- und/oder multiprofessionelle Miteinander im Rahmen einer gelingenden integrierten Versorgung bedeutet dies, Verhalten zu fördern, das zu begünstigenden Verhältnisse führt sowie Verhältnisse („gemeinsamen Verständnisebene“) zu schaffen, die Verhalten ermöglichen. Oder - wie es uns der Philosoph Paul Watzlawick im zweiten seiner fünf Axiome der Kommunikation gelehrt hat: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den ersten bestimmt.“ Paul Watzlawick sah im Beziehungsaspekt der Kommunikationspartner*innen sogar eine maßgebliche Beeinflussung der Inhaltsebene.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es eine „Ent-Wicklung“ auf persönlicher und institutioneller Ebene braucht. „Gesamthafte Sicht auf Finanzierung und Steuerung der Versorgungsbereiche“, „institutionenübergreifende IKT-Lösungen“, die allen Gesundheitsberufen partizipativ offen stehen, eine „Mischung aus persönlichem Kennenlernen und institutionalisierter Kooperation“, „regelmäßigen Austausch der maßgeblichen Führungskräfte in der Region“, ein „gemeinsames Grundmodul in der Ausbildung“, die „verstärkte Einbeziehung von Patient*innen/Heimbewohner*innen in den Versorgungsprozess, „Führungskräfte mit Zusatzkompetenz in der Integrierten Versorgung“ und letztlich eine „gemeinsame Leitkultur“, die sich im gegenseitigem Verständnis ausdrückt. Eine Kultur, die Ethik und Ökonomie nicht zu Gegensätzen verkommen lässt, sondern in „Wert-Schöpfung“ einen ganzheitlich betonten und ethisch begründeten Ansatz sieht. – Was die „Leistungsfähigkeit“ von Leitbildern anlangt, gaben Pflegeheimleitungen Leitbildern in der Studie eine signifikant höhere („statistisch hochsignifikant“) Bedeutung für ihr tägliches Tun als es bei Krankenhausleitungen der Fall war.   


 


 

 


Prof. Peter J. Mayer
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Zum Autor:
Peter J. Mayer ist Professor für Versorgungswissenschaften und Krankenhausmanagement. Er leitet den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Gesundheitsmanagement und Integrierte Versorgung“ an der Fachhochschuile Burgenland. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der interdisziplinären und multiprofessionellen Gesundheitsversorgung, mit ständigem Hinweis insbesondere darauf, dass es letztlich immer um die Person, den einzelnen Menschen, den Patient*innen, den Heimbewohner*innen geht. Vor seiner Tätigkeit in Lehre und Forschung war Prof. Mayer Geschäftsführer und Wirtschaftsdirektor mehrerer Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Sein Appell, der sich an alle im Gesundheits- und Sozialwesen Tätigen, insbesondere in Bezug auf die „längst notwendige“ Integration der Versorgung richtet, lautet: „Es braucht ein Zurück zum Natürlichen, zum grundlegenden menschlichen Empfinden.“
FH-Masterstudiengang „Gesundheitsmanagement und Integrierte Versorgung“: www.fh-burgenland.at/studieren/master-studiengaenge/gesundheitsmanagement-integrierte-versorgung/

 

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