„Das Regierungsprogramm der ersten österreichischen „Zuckerl"-Regierung identifiziert für den Sozial- und Pflegebereich die richtigen Themen", analysiert der Präsident des Lebenswelt Heim Bundesverbandes, Jakob Kabas.

„Nun ist es rasch notwendig, diese mit Inhalten zu füllen, sodass aus den politischen „headlines" realistische und praxistaugliche „guidelines" werden."

APA OTS 13.03.2025

Österreich ist kein Schrebergarten und eine Regierung demnach kein Kleingartenverein. Freiraum heißt, die Gartenzäune im Denken, Gestalten und Handeln überwinden, damit aus Freiräumen für die Beschäftigten Lebensräume für die Menschen werden, die Leistungen im Gesundheits- und Pflegewesen brauchen.

Die Herausforderungen, die das mit sich bringen wird, sind Jakob Kabas durchaus bewusst. „Denn auch wenn wir nun eine „Zuckerl-Regierung" haben, eines ist gewiss, Zuckerl zu vergeben hat sie keine." Daher nimmt er sich selbst und die Organisationen im Pflegebereich ebenso in die Pflicht, wie die politisch Verantwortlichen: „Es liegt an uns allen, die Themen mit konkreten Inhalten zu füllen!" Wozu sich sowohl der Lebenswelt Heim Bundesverband als auch die österreichischen Pflegeheime wie bisher als Expert:innen und Erfahrungsträger:innen anbieten und einbringen. „Das ist wichtiger als je zuvor", fährt Jakob Kabas fort, „denn je knapper die Ressourcen werden, desto treffsicherer müssen sie eingesetzt werden. Und wer könnte die Treffsicherheit besser beurteilen, als die Menschen vor Ort in den Pflegeheimen."

Dabei setzt er sich für den Blick aufs Ganze als wesentliche Perspektive ein. „Nur auf die Effizienz der einzelnen Teilbereiche zu achten, greift zu kurz. Sprichwörtlich ebenso wie auch pflegealltagsbezogen ist das Ganze doch mehr als die Summe seiner Teile", erklärt er und fügt leicht resigniert hinzu: „siehe ELGA und Gesundheitstelematik…" Gerade diese Bereiche machen den Pflegeheimen in Österreich aktuell zu schaffen, weil eine  Vorgehensweise und ein Betrachten aus der Gesamtperspektive fehlen. So kommt es zu mehr oder weniger gut funktionierenden Einzellösungen und die einzelnen Player im System wie zum Beispiel die Pflegeheime sind gefordert, viele unterschiedliche Prozesse und verschiedene Ansprüche unter einen Hut zu bekommen. Überbordende Bürokratie in Zeiten, in denen jede Minute für den: die Bewohner:in wertvoller, weil knapper, ist denn je. Daher ist man im Lebenswelt Heim Bundesverband froh, dass das Thema Bürokratieabbau im Regierungsprogramm nicht nur einmal, sondern sogar mehrfach genannt ist. Es braucht hier die gemeinsame Erarbeitung von Prozesslandkarten, um weiße Flecken oder Übergänge zu identifizieren, die dafür sorgen, dass die Menschen, die unsere Dienstleistungen brauchen, nicht im versorgungs- und verteilungspolitischen Nirwana landen oder in bürokratische Endlosschleifen geschickt werden, die wenig mit Qualität zu tun haben.

Die Beschäftigten in diesem Bereich brauchen, wie das Regierungsprogramm richtig definiert, „Freiraum für die Kernaufgaben". Auch hier braucht es ein Zusammenwirken aller relevanten Player. Es darf auf einzelne Versorgungsangebote nicht vergessen werden. „Man kann sich nicht vorstellen, mit welchen Herausforderungen meine Kolleg:innen in manchen Pflegeheimen konfrontiert sind, um eine ärztliche Versorgung der Bewohner:innen sicherzustellen," berichtet Jakob Kabas. Aus der Not entstehen zwar Projekte wie zum Beispiel im Bereich der Telemedizin, mit denen die Häuser sich auf innovative Art selbst helfen. Wenn es aber um die Vor-Ort-Versorgung nicht mobiler Patient:innen geht, so wie es im Regierungsprogramm angeführt ist, ist es unbedingt notwendig, dabei auch an die Pflegeheime zu denken. Für die meisten der Bewohner:innen ist eine Fahrt in eine Ambulanz oder in eine Ordination – so man einen Termin bekommt – eine kaum zumutbare Belastung.

Gerade auch der Wunsch nach einheitlichen Qualitätsstandards, wie er im Regierungsprogramm mehrmals genannt wird, wird vom Lebenswelt Heim Bundesverband begrüßt. In unserem föderalen System ist das die Basis, auf der alles andere erst entstehen kann. Hört man den Führungskräften in den Pflegeorganisationen quer durch Österreich zu, erkennt man die Auswüchse der aktuellen Strukturen. Dort wird der Personalschlüssel an diplomierten Pflegekräften gekürzt, sodass Pharmazeut:innen Aufgaben in den Stationen übernehmen müssen. Da geht es um die Abgrenzung eines Privathaushalts, an dem mehrere pflegebedürftige Menschen zusammenleben, zu einem bewilligungspflichtigen Pflegeheimbetrieb. „Natürlich ist es eine Mammutaufgabe," ist Jakob Kabas bewusst, „und wir sollten damit rechnen, dass Bund und Länder möglicherweise in einen Spiegel blicken müssten, dessen Bild nicht gefällt, nämlich, dass eine Diskrepanz aufgeht zwischen der gewünschten (versprochenen) Qualität und dem, was man vor Ort unter den aktuellen Bedingungen leisten kann. Gerade deshalb gilt es diesen Schritt anzugehen. Das sind wir allen pflegebedürftigen Menschen und allen, die für sie da sind, schuldig. Es geht schon lange nicht mehr um ‚mobil oder stationär´oder ‚Akademisierung oder Lehre´. Es gibt kein ‚entweder – oder´ mehr, es geht ums Ganze – im doppelten Wortsinn."

 

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